von Fritz Floimayr
05. November 2020
Gastkommentar von Fritz Floimayr in die Presse vom 05.11.2020
Konsumenten verlangen vermehrt nach Regionalität, Tierwohl und Naturschutz, sind aber offenbar noch nicht hinreichend bereit, dafür zu bezahlen. Das liegt wohl nicht zuletzt auch an der Intransparenz bezüglich der Herkunft unserer Lebensmittel. Denn in der Regel muss auf Produkten im Lebensmittelhandel und der Gastronomie nach wie vor nicht angeführt werden, woher die Inhaltsstoffe kommen. Und so wird weiter munter zu Produkten gegriffen, die nicht selten unter miserablen Bedingungen hergestellt wurden. Darunter leiden die heimischen Bauern und letztlich auch die Konsumenten.
Als ich kürzlich auf dem Hof eines unserer Partnerbauern war, er liegt nur wenige Kilometer von unserer Betriebsstätte in Michaelnbach (Oberösterreich) entfernt, entbrannte eine Diskussion über die Wertigkeit von Lebensmitteln und der dahinterliegenden bäuerlichen Arbeit: "Wissen die Leute nicht, wie viel Arbeit das ist? Wie viel Mühe wir uns jeden Tag machen, damit es den Tieren gut geht, die Böden gesund bleiben und ordentliche Produkte entstehen?"
Wir hatten zuvor darüber gesprochen, dass in der Coronakrise scheinbar das gesellschaftliche Bewusstsein dafür ein Stück weit zurückgekehrt ist, dass es doch sinnvoll und wichtig ist, wenn wir in der Region hochqualitative Lebensmittel herstellen. Zumindest ist das der Tenor, wenn man sich durch die sozialen Netzwerke klickt oder Umfragen glaubt, wonach der Konsum regionaler Lebensmittel im Aufwind befindlich sei.
Und doch finden weiter Rabattaktionen statt, bei denen gebackene Schnitzel samt Beilage um weniger als drei Euro verschleudert werden oder das Kilo Schweinefleisch um keine vier Euro im Einzelhandel angeboten wird. Und viele Menschen greifen zu. Wir beobachten eine erschreckende Widersprüchlichkeit zwischen dem Wunsch nach mehr Regionalität, mehr Tierwohl und mehr Naturschutz und der Bereitschaft, diese auch finanziell abzugelten.
Allerdings kann ich dieses Konsumverhalten den Menschen kaum übel nehmen, auch wenn ich mich oft darüber ärgere. Denn woher sollen sie es denn wissen, wenn Herkunfts- und Qualitätsangaben auf den wenigsten Produkten angeführt werden und nicht nachvollziehbar ist, wie sie erzeugt wurden? Im Supermarkt hat man ab und zu das Glück, dass unter der Österreich-Flagge auf verarbeiteten Produkten auch tatsächlich ein Stück hier erzeugter Ware in der Packung liegt, aber es ist immer noch eher die Ausnahme.
Auch im Gasthaus oder in den öffentlichen Küchen wird überwiegend ausländische Ware serviert, die teils unter so erschreckenden Bedingungen hergestellt wird, dass man sich fragt, ob wir wirklich schon im Jahr 2020 angelangt sind. Und ich spreche hier nicht nur von der Misshandlung der Tiere, sondern auch vom unwürdigen Umgang mit den Arbeitern und dem Einsatz von Rohstoffen, für die die Natur zerstört wird.
Seit Jahren diskutiert die Politik jetzt schon darüber, ob wir nicht auch auf das Fleisch endlich draufschreiben sollten, woher es kommt. In letzter Zeit mehren sich die Stimmen, ein Bekenntnis steht schon im grün-türkisen Regierungsprogramm, doch der entscheidende Durchbruch ist noch nicht gelungen. Aber ohne dass verarbeitete Produkte und die Gastronomie miteinbezogen werden, hat die Kennzeichnungspflicht keinen Sinn.
Wir bei Gourmetfein führen schon lang freiwillig die Herkunft all unserer Waren auf der Verpackung an. Bei uns steht auf jeder Packung nicht nur der Ort, sondern auch gleich der Name der Bauernfamilie, die uns das Schweine- und Rindfleisch zur Verarbeitung geliefert hat. Das macht einen gewaltigen Unterschied, nicht nur für die Konsumenten, sondern auch für die Landwirte. Weil sie stolz auf ihre Leistung sind und weil sie wollen, dass die Konsumenten auch erfahren, wer diese erbracht hat. Zu Recht.
Ich habe nie verstanden, wieso wir ausgerechnet bei unseren Lebensmitteln die Intransparenz zulassen. Es ist doch nicht einzusehen, dass zwar auf jedem T-Shirt das Herkunftsland im Etikett verzeichnet wird und es längst gelebte Praxis in den meisten Branchen ist, dass man möglichst viel Einblick gibt, aber dass das gerade bei Nahrungsmitteln nicht der Fall sein soll. Es ist höchste Zeit, dass wir das jetzt endlich ändern. Dafür braucht es aber auch den Mut zum Tierwohl und die Ehrlichkeit hinsichtlich der aktuellen Realität.
Um zu meiner Partnerbäuerin zurückzukommen: Nein, das Gros der Konsumenten weiß leider wirklich nicht, wie viel Arbeit hinter der Erzeugung von hochqualitativen Lebensmitteln steckt. Aber ich bin mir sicher, dass sie es gern wissen würden. Und ich bin mir sicher, dass sie es über kurz oder lang auch preislich honorieren werden, wenn wir auch den Mut haben, zu unseren österreichischen Erzeugnissen zu stehen.
Am Ende muss das, was wir und unsere Bauern an Arbeit für die Gesellschaft erbringen, auch abgegolten werden. Die Zeit, Energie und Leidenschaft, die wir in die Herstellung von gesunden Lebensmitteln und somit auch in das Wohl der Tiere und den Schutz der Umwelt investieren. Das alles kann es nicht umsonst geben. Geben wir den Konsumenten die Chance, dafür auch zu bezahlen, und beenden wir endlich diese Intransparenz.
Dazu brauchen wir nicht nur mündige Bürger, die sich für Änderungen engagieren, sondern auch einen Schulterschluss von Landwirten und Verarbeitern, die einen anderen Weg, abseits von Masse statt Klasse, gehen wollen. Weil sie mit Bedauern Zeugen davon werden, wie jeden Tag mehr Höfe zusperren müssen und die Importe ausländischer Ware ungebremst hereinströmen, während das öffentliche Image der Lebensmittelerzeuger leidet.
Wir sind ohnehin nicht konkurrenzfähig mit einem Weltmarkt, der auf das Wohl der Tiere, der Menschen und der Natur pfeift und stattdessen immer größere Fabriken baut, um noch mehr Ware zum Spottpreis anbieten zu können. Unsere Zukunft liegt in der Qualität, im Handwerk, in der engen Verbundenheit von Erzeugern, Verarbeitern, Händlern und Konsumenten.
In diesem Sinne: Leben wir echte Transparenz - mit einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Produkten im Handel, in der Gastronomie und in der Gemeinschaftsverpflegung.
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