von gourmetfein Redakteur
01. April 2021
Die Landwirtschaft befindet sich nicht erst seit Corona in einer Krise. Obwohl regionale Lebensmittel stark nachgefragt werden, kämpfen viele Höfe ums Überleben. Wie können negative Entwicklungen gestoppt werden und welche Rolle nehmen dabei Fleischproduzenten ein? Wir haben mit Fritz Floimayr darüber gesprochen, Gründer von Gourmetfein, der mit einer einzigartigen Wertschöpfungskette und als Unterstützer des erfolgreichen Tierschutzvolksbegehrens eine gesellschaftliche Debatte angestoßen hat.
Sie haben sich in den letzten Monaten immer wieder kritisch zur Entwicklung der Landwirtschaft geäußert. Was läuft aus Ihrer Sicht schief?
Seit dem EU-Beitritt haben 80 Prozent der heimischen Schweinebauern aufgeben müssen, laut Landwirtschaftskammer könnten bis 2025 weitere 9.000 Höfe für immer schließen. Wem das keine Sorgen bereitet hat nicht verstanden, wie wichtig unsere Landwirtschaft ist. Da geht’s um die Selbstversorgung, um die Vitalität der Regionen, um den Tourismus, um die Zukunft des ländlichen Raums. Wir müssen viel mehr von diesen Zusammenhängen erklären, damit Konsumenten auch ihrer Verantwortung am eigenen Teller nachkommen können.
Der Konsum von Schweinefleisch hat in der Zeit kaum abgenommen, ist den Konsumenten egal, woher ihr Fleisch stammt?
Der Mehrheit mit Sicherheit nicht, aber wir erfahren viel zu oft nicht, woher es wirklich stammt. Solange es erlaubt ist, dass die Herkunft verschleiert wird, solange werden Menschen nicht bewusst konsumieren können. Der massenhafte Import von Billigfleisch aus dem Ausland verstärkt die bestehenden Probleme noch. Wir importieren damit das Tierleid und die Naturzerstörung und heizen das Bauernsterben an. Und irgendwann gibt’s bei uns keine Bauern mehr, dafür Unmengen an Fleisch aus China und Russland. Wollen wir das?
Die Erzeugung von Fleisch ist doch mit einem erheblichen Aufwand verbunden, wie kann man so billig produzieren?
Wer auf Kosten der Tiere, der Natur und der Landwirte produziert, kann sich natürlich viel Geld sparen. Denken wir etwa an den brasilianischen Regenwald, der auch für den Anbau von billigem Soja brennt, das bei uns dann verfüttert wird. Wer hätte gedacht, dass diese Art von Soja nach wie vor sogar innerhalb des AMA-Gütesiegels eingesetzt wird, hunderttausende Tonnen jedes Jahr? Das ist Raubbau an der Zukunft unserer Kinder und das lehnen wir daher ab. Und natürlich ist die Kleingruppenhaltung von Tieren bei uns weitaus aufwendiger als die anonyme und automatisierte Massentierhaltung im Ausland. 40.000 Schweine in einer Halle sind da keine Seltenheit, die sich tagelang selbst überlassen bleiben. So entstehen zu extrem hohen wahren Kosten unverschämt niedrige Preise.
Was sagen Sie Menschen, die meinen, dass Fleisch auch leistbar bleiben muss?
Denen sage ich, dass man an den Gourmetfein-Produkten sieht, dass guter Geschmack, höchste Qualität und garantierte Regionalität absolut leistbar sind. Auf die Portion gerechnet sind es nur ein paar Cent mehr, die übrigens auch direkt bei unseren rund 200 Partnerbauern ankommen. Das muss es uns wert sein. Die Rechnung für billiges Fleisch zahlen die leidenden Tiere in der ausländischen Massentierhaltung und wir alle, mit unserer Gesundheit, verseuchten Böden und einer sterbenden kleinbäuerlichen Landwirtschaft.
Sie verzichten auf Glyphosat, Regenwald-Soja und Langstrecken-Tiertransporte, ihr Leberkäse gilt als „Klimachampion“. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Als Familienunternehmen wollen wir den Grund und Boden, den wir mit unseren Partnerbauern bewirtschaften, auch der nachfolgenden Generation noch intakt überlassen. Die Einstellung der Konsumenten ändert sich gerade stark in diese Richtung. Wir haben also das große Glück, dass unsere persönliche Haltung sich mit den Wünschen der Kunden deckt und wir daher unseren eigenen Werten entsprechend produzieren können. Das beste Beispiel dafür ist eben unser Leberkäse, bei dessen Erzeugung 50 Prozent weniger CO2 ausgestoßen wird. Das ist ein ganz konkreter aktiver Beitrag zum Klimaschutz.
Vor allem Regionalität wird derzeit stark nachgefragt, doch nicht immer steckt auch in der Packung drin, was angeblich draufsteht. Verstehen Sie die Verunsicherung?
Natürlich! Es wird leider tatsächlich viel Schindluder getrieben und darunter leiden alle, auch diejenigen, die sauber produzieren. Wir haben uns früh die Frage gestellt, wie wir glaubhaft machen können, dass bei uns wirklich 100 Prozent Regionalität drinsteckt. Wir setzen hier auf volle Transparenz, auf eine hofgenaue Herkunftskennzeichnung, vom Acker bis zur Leberkäse-Semmel. Bei uns steht sogar der Name der erzeugenden Bauernfamilie drauf, noch mehr Einblick geht nicht. Und das ist auch ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Landwirten. Wir sind stolz auf ihre Arbeit und das zeigen wir auch.
Was hat es mit der berühmten eidesstattlichen Erklärung von Gourmetfein auf sich?
Das ist die zweite Seite der gleichen Medaille. Behaupten kann man viel, aber wer eine eidesstattliche Erklärung abgibt, der riskiert ernste rechtliche Konsequenzen, wenn er nicht hält, was er verspricht. Ich habe mich daher entschlossen diese persönliche Haftung zu übernehmen, weil ich ein unmissverständliches Signal an unsere geschätzten Kunden aussenden wollte: Bei Gourmetfein steht der Eigentümer selbst zu dem, was das Unternehmen behauptet. Wir verarbeiten ausschließlich die Ware von unseren Partnerbauern, kein einziges Kilo stammt bei uns aus dem Ausland.
Also eine geschlossene Kette der Transparenz, vom Bauern bis zum Schlachthof?
Und darüber hinaus. Der Gourmetfein-Weg beginnt bei den Futtermitteln und endet an der Theke, in den Feinkostgeschäften von Zellinger oder bei unseren Partnern, egal ob im Handel oder im Rahmen von MyMetzger. Es gibt immer mehr Orte, wo man Produkte aus dem Hause Gourmetfein, wie Leberkäse und Wurstwaren oder die ÖBERIO Hofgenau Fleischlinie beziehen kann. Das ist uns wichtig, bei uns gibt’s nicht anonyme Ware aus dem Nirgendwo, sondern Qualitätsprodukte mit klarer Herkunft und transparenter Geschichte. Nicht zu 15 oder 20 Prozent, sondern zu 100 Prozent. Das unterscheidet uns von allen anderen.
Auch in Österreich gibt es Kritik an den vorherrschenden Zuständen, insbesondere an den konventionellen Standards in der Schweinehaltung. Muss sich was ändern?
Wir müssen uns immer weiterentwickeln, Stillstand ist keine Option. Früher ging es darum möglichst schnell möglichst viel zu erzeugen, das war auch die Anforderung nach dem Krieg. Heute ändert sich das Konsumverhalten der Menschen und auch ihr Bezug zur Nutztierhaltung, dem müssen wir Rechnung tragen. Wir bekennen uns zur Weiterentwicklung und ich persönlich kenne keinen Bauern, der nicht Teil dieses Fortschritts sein möchte. Aber es muss den Landwirten auch möglich gemacht werden. Wogegen ich mich verwehre ist plumpe Symptombekämpfung am Rücken unserer Bauern.
Wie soll die Weiterentwicklung konkret aussehen?
Zum einen müssen Agrarförderungen zielgerichteter erfolgen, damit hohe Investitionen besser abgefedert werden können. Das reicht aber nicht. Wir müssen den Mehraufwand der Bauern in der täglichen Arbeit auch mit höheren Preisen abgelten. Genau das machen wir bei Gourmetfein, wenn wir im Schnitt rund 20 Prozent über dem Marktpreis bezahlen. Das ist die finanzielle Basis, die unsere Bauern für den Fortschritt brauchen.
Mein Anspruch dabei ist der Ausbau des „Feinkostladen Österreich“, ich sehe hier enorme Chancen für unsere Landwirtschaft. Dazu braucht es eine faire Verteilung von Fördergeldern, weg von den Konzernen, hin zu den vielen kleinen, feinen Produzenten von Lebensmitteln. Für mich kommt die Absicherung der kleinbäuerlichen Betriebe einer Förderung von „Öko-Startups“ gleich, die im Zusammenspiel mit ebensolchen Veredlern zu den nachhaltigen Ernährern des Europas der Zukunft werden könnten. Da gibt’s schon gute Beispiele.
Gourmetfein ist sowohl im Inland als auch im Ausland tätig, wie sind die Reaktionen?
Wir stoßen auf großes Interesse! Der jüngst komplett erneuerte Feinkost Zellinger-Standort in Wels wurde in den ersten Tagen nach der Eröffnung regelrecht gestürmt, trotz Corona. Auch in Deutschland sind wir mit unseren Produkten bereits bei über 2.000 Partnern vertreten, Tendenz stark steigend. Und das nicht, weil wir billiger sind, sondern weil die besondere Rohstoff-Herkunft und die garantierte Regionalität mittlerweile absolute Alleinstellungsmerkmale von uns geworden sind, die Konsumenten gerne belohnen.
Die hohen Produktionsbedingungen bei Gourmetfein und das besondere Engagement sind sicherlich zeit- und kostenintensiv, rechnet sich das überhaupt?
Die Frage ist doch, was es unsere Nachkommen kostet, wenn wir jetzt nicht handeln. Unsere Kinder werden uns in 50 Jahren verfluchen oder loben – wir haben es in der Hand! Ich verzichte ich gerne auf ein paar Prozent Profit, wenn ich weiß, dass ich meinen Partnerbauern eine sorgenfreie Zukunft ermögliche und die Natur erhalten bleibt. Natürlich müssen wir als Unternehmen ordentlich wirtschaften und ich bin davon überzeugt, dass der nachhaltige Weg auch der ist, der sich langfristig auszahlt, in jeglicher Hinsicht.
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