von gourmetfein Redakteur
30. Juni 2021
Während Konsumenten sich wieder stärker nach regionalen Fleischversorgern sehnen, denen sie vertrauen können, muss nach wie vor nahezu wöchentlich ein Metzgerbetrieb in Österreich zusperren. Der Bedarf ist also vorhanden, auch die Nachfrage steigt, aber viele Handwerker stemmen die Herausforderungen des digitalen Zeitalters oder die hohen Nebenkosten nicht. Um das Metzgerhandwerk in Österreich zu bewahren, hat Florian Hippesroither von gourmetfein nun „myMetzger“ ins Leben gerufen. Der neue starke Verbund soll den Fleischern wieder die Kraft und Stabilität geben, die sie brauchen, um erfolgreich am Markt zu bestehen. Fleisch & Co hat mit ihm gesprochen.
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Fleisch & Co: Man kennt Sie in der Branche als Geschäftsführer des erfolgreichen Fleischproduzenten gourmetfein, was hat Sie auf die Idee von „myMetzger“ gebracht?
Unsere Zusammenarbeit mit Gerald Zellinger von Feinkost Zellinger hat uns bereits vor einigen Jahren vor Augen geführt, wie wichtig für den langfristigen Erhalt dieses Traditionshandwerks die unternehmerische Unterstützung ist. Ohne zielgerichtetem Marketing, digitaler Kommunikation und dem gewissen Alleinstellungsmerkmal geht es im Jahr 2021 nicht mehr. Wir wollen daher für kleine Metzgereien eine Serviceplattform anbieten. Damit sie nicht nur weitermachen, sondern sich auch auf das konzentrieren können, was sie am besten und liebsten machen.
Fleisch & Co: Aber gibt es dafür überhaupt einen Markt?
Na und ob, gerade jetzt! Die kleinen Metzgereien haben ein großes Potenzial am Markt, weil die Menschen sich, verstärkt durch die Corona-Krise, wieder bewusst geworden sind, wie wichtig der Nahversorger ist. Aber gleichzeitig haben die Konsumenten ein gutes Gespür dafür, wenn sie belogen werden. Sie suchen nach dem „ehrlichen“ Metzger, nach dem Fachmann, der ihnen gut und gerne erklären kann, woher das Tier stammt, wie es gelebt hat, warum und welchen Unterschied es zur anonymen Importware gibt.
Fleisch & Co: gourmetfein hat sich stark für die Herkunftskennzeichnung eingesetzt, die steht nun tatsächlich vor der Tür. Erübrigt sich das damit nicht?
Ganz im Gegenteil, die Herkunftskennzeichnung eröffnet für die Fleischer vor Ort eine riesige Chance, jetzt geht es auch darum den Pionier-Charakter zu entfalten. Es geht dabei um garantierte Regionalität, aber auch um eine besondere Qualität. Unsere Vision ist es, dass die Metzger des 21. Jahrhunderts die Nahversorger von ökologischem, regionalem Fleisch höchster Güte sind. Das ist auch der Anspruch unseres neuen „myMetzger“-Verbundes. Mit unserer Fleischmarke „ÖBERIO Hofgenau“ bieten wir all das, was die Menschen sich zurecht wünschen: Kein Glyphosat, keine Gentechnik, kein Regenwald-Soja, keine Langstrecken-Tiertransporte und vollständige Transparenz. Und zwar nicht zu 10 oder 20 Prozent, sondern zu 100 Prozent. Es ist die Evolution der Metzgerbranche.
Fleisch & Co: Wie kann man sich „myMetzger“ nun genau vorstellen?
Eines vorweg: Jeder Metzger behält dabei seine eigene Identität und sein eigenes Gesicht, seine besondere Individualität, für die er ja auch von den Kunden geschätzt wird. Es geht hier nicht um Franchise, es geht um einen Verbund auf Augenhöhe. Wir stellen im Hintergrund unter der Dachmarke myMetzger aufbauend auf ein Basispaket verschiedene Marketingmodule zur Verfügung. Und jeder Partner kann sich aussuchen, welche Leistungen er in Anspruch nehmen möchte. Er spart sich dadurch auch aufwändige und teure Anlaufkosten. So kann der Metzger wieder seiner Passion und Profession nachgehen.
Fleisch & Co: Also eine Art von Marketingagentur?
Es ist wohl eher das Beste von einer ausgelagerten Marketingabteilung, die über jahrelange Erfahrung in der Branche verfügt. Wir haben das Modell ausprobiert, haben unsere Lehren daraus gezogen, weiter verfeinert und können jetzt ein Paket anbieten, von dem wir wissen, dass es funktioniert. Und welches wir auch laufend weiterentwickeln werden, weil ja auch der Markt hochdynamisch ist. Wir machen keine leeren Versprechungen, sondern können nachweisen, dass unser Weg erfolgreich ist, nicht nur bei Feinkost Zellinger.
Fleisch & Co: Gibt es weitere Partner?
Wir haben schon weitere Unternehmen die eng mit uns zusammenarbeiten und die wollen wir auch nach und nach vorstellen. Es handelt sich dabei um Betriebe, die seit bald 150 Jahren in Familienhand sind und die großen Wert darauf legen, dass sie sich ihre Tradition erhalten können – aber trotzdem von unserem Netzwerk und unserem Knowhow profitieren. Die Produktqualität ist für uns “nur“ die Basis. Es braucht heutzutage mehr, um die Kunden zu begeistern. Ich rede von professionellem Marketing. Das reicht von perfekten Produktfotos, ansprechend gestalteten Flugblättern, modernen Homepages, Social Media, Digital Signage und so weiter. Und ich weiß eines: das kostet alles extrem viel Geld.
Fleisch & Co: Für viele kleine Metzgereien ist das unmöglich zu stemmen
Genau darum geht es. Wir haben selbst gesehen, wie viel wir in das ganze Marketingkonzept bei Zellinger gesteckt haben, kennen auch die Erfahrungen anderer Metzger. Da geht es schnell um sechsstellige Beträge. Wir haben uns Know-How angeeignet, haben ein starkes Netzwerk und können viele Leistungen auch Inhouse anbieten. Es geht beim myMetzger-Verbund nicht darum den Metzger-Kollegen im Nachbarort mit dem Preis zu unterbieten, sondern darum echte Kooperationen zu finden und zu leben. Sowohl auf Produktebene als auch in der Bewerbung. Die Alternative ist, dass das Metzgersterben weitergeht.
Fleisch & Co: Sie glauben, dass Sie das damit aufhalten können?
Wir müssen es zumindest versuchen, oder? Das sind wir der großen Tradition schuldig. Ich möchte, dass auch meine Enkelkinder noch einen echten Fleischer kennen und in den Genuss seiner Leistungen kommen können. Unser Konzept ist die Alternative zur „One Man Show“, die nachweislich viel zu oft nicht funktioniert. Es muss nicht jeder alles alleine machen. Das ist auch kein Scheitern, sondern einfach das Anpassen an die heutige Zeit. Der Metzger, der am liebsten in der Produktion ist, über neue Spezialitäten tüftelt oder den Kontakt mit den Menschen liebt, den können wir ideal mit Marketing ergänzen und stärken.
Fleisch & Co: Spielt hier auch die Generationenfrage rein?
Natürlich tun sich die Jungen leichter mit Social Media & Co, aber letztlich geht es nicht nur um das Verständnis der Technologien, sondern um den Faktor Zeit. Wofür hat und wofür nimmt man sich Zeit? Investiert man in den Kundenkontakt, in die Beziehung zu den Menschen vor Ort? Das können und wollen wir nicht abnehmen, das ist die Besonderheit des Metzgerhandwerks und die wird immer von der Person abhängen. Aber das Bespielen von Plattformen, der Druck von Flyern und das ganze Drumherum, das können wir erledigen. Und damit auch den Jungen, die heute überlegen, ob sie sich das überhaupt antun sollen, auch zeigen, dass das eine Aufgabe ist, die extrem erfüllend sein kann.
Fleisch & Co: Wie sehen die Ziele für die nächsten Jahre aus?
Uns geht es jetzt mal nicht um schnelles Wachstum, sondern um echte Partnerschaften. Diejenigen, die auf der Suche nach einer Kooperation im besten Sinne des Wortes sind, für die sind wir offen. Und denen wollen wir eine echte und langfristige Zusammenarbeit anbieten, auf die man sich verlassen kann, die Stabilität mitbringt. Im myMetzger-Verbund, das ist meine tiefe Überzeugung, können wir die Metzgereien wieder hochleben lassen und zu alter Stärke zurückführen. Wir mögen damit vielleicht in den Augen der anderen noch ein „gallisches Dorf“ sein. Das ist absolut in Ordnung für uns, irgendwer muss immer den Anfang machen. Aber wir freuen uns über jeden der bei diesem Weg mitarbeiten möchte und ich persönlich stehe jedem für ein Gespräch zur Verfügung.
Fleisch & Co: Vielen Dank und viel Erfolg!
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